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«Wir steuern auf eine Klimadiktatur zu»

Bild: Mathias Förster

Wahlinterview mit Andreas Glarner SVP-Präsident über Erfolgsdruck, Wahlthemen und angebliche Manipulationen der Medien. Aargauer Zeitung / Dienstag 22. August 2023 / Eva Berger

Herr Glarner, die SVP Schweiz hat kürzlich ihr obligates Wahlkampfvideo veröffentlicht.Obwohl es von Youtube gesperrt wurde, kursiert es im Netz. Auch Sie tanzen und singen dort mit. War das so spassig, wie es aussieht?
Andreas Glarner: Ja, extrem sogar. Diese Produktion war mehr ein Chäferfest als Arbeit. Alle aus der Fraktion waren eingeladen
mitzumachen, wer Zeit hatte, ist gekommen. Wir sind ein lässiges Team und kommen gut miteinander aus. Das Video soll zeigen, dass wir nicht nur bierernst unterwegs sind, sondern auch als Team zusammenstehen

Vor vier Jahren hat es nichts gebracht, die SVP musste Federn lassen – im Aargau verlor sie 6,5Prozent und einen Sitz.Machen Sie das im Oktober wieder gut?
Wahrscheinlich. Den siebten Sitz zurückzuholen wäre gut, wir brauchen eine Verstärkung in Bern. Es kommt aber auf die Konstellation und die Themenlage
an. Wenn Meteorologe Thomas Bucheli im Fernsehen weiter mit falschen Prognosen bescheisst…

…sind falsche Temperaturprognosen denn absichtlicher Beschiss?
Ja. Interessanterweise gab es ja nur Fehler nach oben! Die Medien setzen alles daran, dass das Klimathema wieder gewinnt. Das ist nicht fair. Würde es normal ablaufen, könnte die SVP schweizweit 30 Prozent Wähleranteil holen, davon bin ich überzeugt.

Wollen Sie also die Medien an die Kandare nehmen?
Nein, das ist überhaupt nicht unser Stil. Wir wollen den Wettbewerb laufen lassen. Aber: Ich habe eben gegen «Blick», der zum Fall Stäfa zehn Artikel veröffentlicht hat, ohne mit mir zu reden, beim Presserat Klage eingereicht. Irgendwann ist auch einmal gut.

Sind Medienberichte über Wetterextreme und Hitze aus Ihrer Sicht nur Panikmache?
Ja, natürlich. Der Mensch ist für lediglich vier Prozent des CO2-Ausstosses verantwortlich. Es ist also Blödsinn zu glauben, wir könnten den Klimawandel stoppen. Dennoch haben manche den Umsturz des ganzen Systems im Sinn, momentan wird deshalb Deutschland an die Wand gefahren. Auch wir sagen, man muss der Umwelt Sorge tragen und jeder merkt, dass es wärmer wird. Aber auch ganz ohne CO2-Ausstoss durch den Menschen ginge der Klimawandel weiter.(Anmerkung der Redaktion: Das wird bestritten, der Mensch als dominante Ursache für den Klimawandel stehe fest, sagt u. a. ETH-Klimaforscher Reto Knutti.)

Also besser gar nichts tun?
Wir müssen uns auf die Hitze einstellen. Aber es sind die gleichen Kreise, die beim Klimawandel Panik verbreiten, die Klimaanlagen verbieten. Es ist verrückt,
dass die Medien nicht mehr hinterfragen. Wir steuern auf eine Klimadiktatur zu, wenn ein Lügner ist, wer etwas anderes sagt als der Mainstream. Das ist wie bei
der Coronapandemie.

Dass Sie bei Klimamassnahmen sehr kritisch sind, ist bekannt. Ist Ihre Haltung zu 100Prozent kongruent mit der SVP?
Ich habe in der Partei noch niemanden gefunden, der die Panikmache in Ordnung findet. Zurückgepfiffen hat mich auch keiner.

Warum braucht es mehr SVP im Nationalrat?
Weil die Politik aus dem Ruder läuft. Wir haben eine Zuwanderung, die uns an den Rand des Machbaren bringt, im öffentlichen Verkehr, auf den Strassen, im Wohnungsmarkt, in den Schulen. Weiter haben wir eine Zuwanderung ins Sozialsystem. Im Asylwesen brauchen wir endlich Transiträume und schnellere Verfahren. Das haben wir bereits gefordert.

Wie die Linken wieder auf den Klimawandel setzen, bleibt auch die SVP bei ihrem bewährten Thema, der Zuwanderung?
Vor zwei Jahren hätte ich noch nicht geglaubt, dass sie für uns das Thema der Wahlen 2023 sein wird. Aber die Nettozuwanderung ist jetzt rekordverdächtig, die Gemeinden können das nicht mehr stemmen.

Wie wollen Sie ohne Migration dem Arbeitskräftemangel begegnen?
Es kommen zu viele und die falschen. Wir brauchen Menschen, die auch arbeiten wollen. Doch wir haben bereits einen Sockel von über 90000 angeblich Stellensuchenden im Land. Warum gibt es dann Arbeitskräftemangel? Wir bringen jene nicht mehr weg, die sich in der sozialen Hängematte ausruhen, was zulasten jener geht, die arbeiten. Leider hilft hier der SVP niemand.

Die FDP hat doch eben ihre Pläne in der Migrationspolitik präsentiert…
…Was die FDP jetzt fordert, wollen wir seit Jahren! Das ist reiner Wahlkampf.

Gräbt Ihnen die FDP das Wasser ab?
Das macht nichts. Wir wären einfach froh, sie würde jeweils ihre Versprechen halten. Sie hat sowohl 2015 als auch 2019 bei der Migration den harten Kurs gefordert, ist nach den Wahlen aber beide Male wieder auf den Schmusekurs umgeschwenkt.

Die SVP Aargau hat eine Listenverbindung mit der FDP. Es sei keine Liebesheirat, sagt die FDP-Präsidentin. Wie sehen Sie das?
Es stimmt, die Listenverbindung ist eine arithmetische Überlegung. Die FDP ist aber unser natürlicher Konkurrent, nicht der Feind, und in wesentlichen Fragen, etwa bei den Finanzen, sind wir einigermassen kongruent. Aber gesellschaftspolitisch driftet die FDP ab, sie wurde zu breit. Wir aber haben seit 40 Jahren das gleiche Wahlprogramm, man kann sich auf uns verlassen. So macht es übrigens auch SP-Co Präsident Cédric Wermuth. Er ist ein Ehrenmann, der macht, was er sagt, und sagt, was er macht. Zwar eine himmeltraurige Politik aus meiner Sicht, aber sie ist konsequent und er damit verlässlich.

Mit Mass-Voll um Corona Massnahmenkritiker Nicolas Rimoldi, ist die Listenverbindung nicht zustande gekommen. Da wurden Sie von der Partei zurückgepfiffen.
Ich hätte auch diese Verbindung rechnerisch sinnvoll gefunden. Aber ich entscheide das nicht allein. Das Team der Geschäftsleitung und die Listenpartnerin FDP haben gesagt, es komme nicht infrage, also machen wir es nicht.

Wie viel haben Sie alsPräsidentin derPartei zu sagen?
Wir sind unglaublich demokratisch aufgestellt und handeln nach Mehrheitsentscheiden. Manchmal verliere ich, manchmal gewinne ich.

Ihr Verhältnis zu den beiden SVP-Regierungsräten Alex Hürzeler und Jean-Pierre Gallati soll nicht besonders gut sein. Da habe die mögliche Verbindung mit Mass Voll auch nicht geholfen, heisst es. Verkörpern Sie die SVP besser als etwa Sozialdirektor Gallati?
Er hat eine völlig andere Aufgabe als ich. Er muss den Kanton Aargau repräsentieren, nicht die SVP. Es gibt Fragen, bei denen wir komplett unterschiedlicher
Ansicht waren und Themen, die wir absolut gleich sehen. Hochgespielt werden natürlich die Differenzen.

Sind Sie noch Freunde, wie vor seiner Wahl in den Regierungsrat?
Es ist ja nicht so, dass wir engste Freunde waren. Politisch hat aber zwischen uns kein Blatt Papier gepasst. Seit Corona haben wir gewisse Themen, die wir unterschiedlich sehen. Treffen wir uns, haben wir es aber lustig und geben uns nicht gegenseitig auf die Mütze.

Es sind Ihre ersten Nationalratswahlen als Kantonalparteipräsident. Spüren Sie Erfolgsdruck?
Natürlich. Es ist aber eine Frage der Mobilisierung: Wie schaffen wir es, den Wählern unsere Themen nahe zubringen? Eigentlich kann man nur SVP wählen, will man die rot-grüne Verbotspolitik nicht mitmachen.

Unter welchen Voraussetzungen bleiben Sie nach den Wahlen Präsident?
2024 sind bereits kantonale Wahlen, aus heutiger Sicht bin ich dann noch im Amt. Schiffen wir im Oktober aber als einzige Partei völlig ab, müsste man über die Bücher.

Die SVP macht die Listenflut, die von der CVP losgetreten wurde, nicht mit und beschränkt sich auf das Minimum: eine Hauptliste und eine der Jungen SVP. Warum?
Die Wählerinnen und Wähler kommen ob der vielen Listen gar nicht mehr draus. Da stehen Leute drauf, von denen man noch nie etwas gehört hat – sie sind einzig Stimmenlieferanten für die Hauptliste. Das erachten wir als nicht seriös.

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